Was für ein wunderbares Glücksgefühl: In ein ofenfrisches Brot zu beißen, in ein frisch gemachtes Bett zu schlüpfen, eine über Nacht verschneite Landschaft zu betreten oder ein neues Jahr zu beginnen.
Im unbefleckten Anfang liegt etwas Überwältigendes und die Summe aller Möglichkeiten.
Dennoch ist unsere Kultur weitgehend eine Kultur des Fertiggemachten, Abgeschlossenen und Vollendeten.
Jürgen Krause verweigert sich diesem Dogma grundsätzlich und vollkommen. In seinen Arbeiten zelebriert er die Poesie des Beginnens und schafft einen Assoziationsraum, der uns zeigt, wo Kunst anfängt und nicht wo sie aufhört und zu Ende gedacht ist.
Dennoch macht er es sich nicht leicht. Sein Innehalten am Anfangen ist harte Arbeit im Akkord.
Monatelang grundiert er mit großer Sorgfalt ein Blatt Papier, bis sich aus der Fläche ein magischer Körper entwickelt, der als Konzentrat die Möglichkeiten unzähliger Bilder enthält. Der Schnee ist noch nicht betreten und liegt in seiner sprachlosen Unschuld vor dem Betrachter.
Bleistifte werden über Monate hin abgeschält, Klingen werden Tag für Tag neu geschliffen, ohne dass sie zum Einsatz kommen. Sie behalten ihr volles Potential und werden somit zu Aggregaten ihrer Möglichkeiten.
Über ein Jahr lang schneidet Krause mit dem Skalpell kleine Kreise aus Papier und schafft damit zweierlei: Die gelochten Blätter werden in einer Vitrine skulptural aufgebahrt und durch jede Lochung sieht man eine neue Welt.
Das entstandene weiße Konfetti, es passt in eine hohle Hand, wird in einem glücklichen Moment, am Mainzer Rosenmontag, in die Luft geworfen. Dort schneit es für ein paar Sekunden und mischt sich mit allem Bunten, was auf der Straße liegt.
Anlässlich der Verleihung des Förderpreises für Bildende Kunst der Stadt Mainz, 18.12.2009