Der Lauf der Dinge - des technischen Fortschritts - scheint zu sein, daß handwerkliche Standards von technischen Standards abgelöst werden, sobald sich eine Gelegenheit dazu bietet. Das hat zur Folge, daß kurz nach einer technischen Innovation die bis dato erlernte und ausgeübte handwerkliche Dimension vergessen und ersetzt wird. In den meisten Fällen ist dieses „ Fallen lassen einer überholten Dimension“ natürlich und normal, weil die Verweigerung neuer Surrogate ja auch etwas reaktionär Weltfremdes hat, und weil sich im technischen Wettbewerb einfach nichts halten kann, was rückständig verharrt.

 

Andererseits weiß heute jeder, wieviel wertvolle Teilaspekte im rigorosen Fortschrittsdrang auf der Strecke bleiben, wenn undifferenziert „ausgewechselt und eingewechselt“ wird.

Das ist die Stelle, an der die Arbeiten von Jürgen Krause auf eine sehr intelligente Weise ansetzen. Mit präzisen, meist stoisch wirkenden Arbeitsmethoden führt Jürgen Krause die physisch-psychologische Abweichung von Handgemachtem gegenüber Maschinengemachtem vor.

 

Dabei zeigt er auf, was die vielen Auf- und Abrundungen, Filterungen, Angleichungen, kurz die Summe aller kleinen Kompromisse, anrichtet, um technische Prozesse „am Laufen zu halten“. – In der Käseherstellung, in der Weinpflege, in der Krankenpflege – überall da, wo Surrogate ausschließlich an die Stelle „menschlicher Wärme“ gesetzt wurden, werden qualitative Mängel immer deutlicher.

Das Antäuschen, Annähern von Linien gegenüber einer gedruckten Lineatur, das Ausschneiden mit dem Cuttermesser gegenüber dem Ausstanzen durch eine Stanzform bekommt vor diesem Hintergrund eine eminent wichtige, gesellschaftlich-politische Dimension.

 

Indem Jürgen Krause im rein stofflichen Bereich bleibt, wirkt diese, sein gesellschaftliche Haltung, absolut unspektakulär und originär. Radikal im „winzigen Ausschnitt und der winzigen Differenz“, also an der Stelle, die immer mehr ins Zentrum rückt.

 

Abschließend möchte ich sagen, daß eine Mischung aus unterschwelligem Humor und scharfsinnigem Geist die Mentalität von Jürgen Krause ausmacht – gute Voraussetzungen, um Existenzielles behandeln zu können.

 

 

Erschienen im Ausstellungskatalog „Jürgen Krause – Arbeiten“, Kunstverein Nürnberg, 2005